Leitzins-Explosion fordert Immobilienbranche

Leitzins-Explosion fordert Immobilienbranche

Die Immobilienbranche war über ein Jahrzehnt lang fast nur steigende Märkte gewohnt. Erst die Lieferkettenprobleme infolge von Covid-19 und der Energiepreisschub haben das totgeglaubte Gespenst der Inflation – für viele unerwartet – zurückgebracht.

Die Erhöhung der Leitzinsen war eine richtige und notwendige Reaktion, und das ak tuelle Zinsniveau stellt auch im Immobiliengeschäft grundsätzlich die Rückkehr zu einer „neuen alten Normalität“ dar – jedenfalls für jene, deren Betrachtungszeitraum bis in die 90er-Jahre zurückreicht. Problematisch war der zu späte Start der Zinserhöhungen und die dann so kurzfristig nacheinander erfolgten Zinsschritte von null Prozent auf vorerst vier Prozent. Der Ausdruck „Leitzins-Explosion“ erscheint nicht ganz unangebracht. Vor allem für die Immobilienbranche, die längerfristig kalkuliert und finanziert, bringt das enorme Herausforderungen.

Deutlich gestiegene Renditeerwartungen der Anleger und Investoren führen aktuell dazu, dass die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern stark auseinanderdriften. Daran ändern auch zwischenzeitig gestiegene Mieten wenig. Wer nicht verkaufen muss, wartet ab. Die Folge ist ein deutlich gesunkenes Transaktionsvolumen am Investmentimmobilienmarkt. Viele Projekt-entwickler mussten geplante Projekte einstellen: immer noch hohe Baukosten, explodierte Finanzierungskosten und gestiegene Renditeerwartungen der Endinvestoren oder unklare Verwertungsaussichten bei Eigentumswohnungen passen (noch) nicht unter einen Hut.

Sinnvoll, aber ungünstig

Während Wohnungsvermietungen sehr positiv laufen, ist das Geschäft mit Eigentumswohnungen deutlich eingebrochen. Die Gründe liegen auf der Hand: vervielfachte Finanzierungskosten einerseits, die verschärften Eigenkapitalanforderungen und Einkommensuntergrenzen der KIM-Verordnung andererseits. Diese – prinzipiell sinnvollen – Regelungen kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Außerdem ist ein zentrales Problem bestehender Finanzierungen damit nicht zu lösen: die hohe Anzahl variabler Wohnfinanzierungen, die – im Glauben an anhaltend rekord-mäßig tiefe Zinsen – nicht gegen Zinsanstiege abgesichert wurden und viele Kreditnehmer in Bedrängnis bringen.

Wer aktuell kauft, verfügt über viel Eigenkapital – oft aus dem Familienverband – und braucht kaum eine Finanzierung. Viele, die sich vorerst vom Traum des Eigenheims verabschieden müssen, suchen nun eine passende Mietwohnung für die Familie. Folgerichtig sind große Mietwohnungen begehrt, besonders mit Freifläche in gut öffentlich angebundener Lage oder im Grünen.

Ein guter Indikator für die Konjunktur und Hinweis auf die ungebrochene wirtschaftliche Dynamik ist die starke Nachfrage nach Gewerbeimmobilien. Diese verzeichnen wir besonders bei Büros und Logistikflächen. Bürosucher zeigen eine klare Tendenz zu hochwertigeren, modernen Immobilien in attraktiven, urbanen Lagen. Homeoffice hat sich keinesfalls als „Ende des Büros“ erwiesen. Im Gegenteil haben die Erfahrungen während der Coronapan-demie gezeigt, wo die Grenzen rein digitaler Kommunikation liegen. Umso mehr ist die Funktion des Büros als Ort der Identitätsstiftung und des kreativen und effizienten Austauschs in den Fokus der Unternehmen geraten. Das Büro ist zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal bei der Suche und Bindung neuer Mitarbeiter geworden.

Ein weiteres bestimmendes Thema unserer Zeit ist die Implementierung von ESG im Rahmen der EU-Taxonomie; durch die massiv gestiegenen Energiekosten hat gerade das darin enthaltene Element der Nachhaltigkeit auch ein unmittelbares wirtschaftliches Gewicht bekommen. Die Immobilienwelt durchlebt also intensive und vielfach auch he-rausfordernde Zeiten. Diese Phasen gab es immer wieder – und sie wurden überwunden. n 

Quelle: Der Börsianer (03.07.2023)


Leitung Marketing & PR

Tanja Kristament