Die schwache Konjunktur wirkt sich auch auf die Bau- und Immobilienwirtschaft aus. Zwar entspannt sich das Zinsniveau, dennoch lässt ein spürbarer Aufwind weiter auf sich warten.
Österreich hat die Krise noch nicht hinter sich gelassen – die Rezession hält an, doch in manchen Wirtschaftsbereichen ist bereits die Talsohle erreicht. Wie es in der Immobilienwirtschaft aussieht?
Die größte Herausforderung der kommenden zwölf Monate ortet ÖRAG-Vorstand Stefan Brezovich nicht beim Zinsniveau, das sich durch die zu erwartenden Zinsschritte entspannen wird. Vielmehr werde die konjunkturelle Entwicklung die Zukunft bestimmen. „Aus unserer Sicht wird sich der Prozess der Adaption an die neuen Gegebenheiten noch bis in das kommende Jahr ziehen“, sagt Brezovich, der diese Phase der Preisentwicklung als „Platzen der Immobilienblase in Zeitlupe“ bezeichnet. Die Entwicklung der vergangenen Monate hat zu - teilweise deutlichen - Preisrückgängen geführt, abhängig von Objektart und Lage sind diese unterschiedlich stark ausgeprägt. Trotz der Zinsschritte im heurigen Jahr und einer Senkung der Inflation werde die Lage auf dem Immobilienmarkt und im Bereich der Projektentwicklung angespannt bleiben. ÖRAG-Vorstand Michael Buchmeier sieht einen von der Notwendigkeit des Verkaufs getriebenen Markt, wobei die Wunschpreise nicht immer mit der Realität in Einklang zu bringen sind. Es sei schwierig, passende und eigenkapitalstarke Käufer zu finden. Auch für die Bewertung haben sich die Zeiten geändert: Auftraggebende sind heute nicht mehr Bauträger und Entwickler, sondern Banken, Wirtschaftsprüfer und Masseverwalter. Die Experten orten einen Käufermarkt: Verkäufer mit Verkaufsdruck treffen auf ein begrenztes Angebot an Investoren. „Ein sinkendes Neuflächenangebot sorgt für steigende Mieten – das betrifft nicht nur Wohnen, sondern auch Top-Gewerbeflächen“, analysiert ÖRAG-Vorstand Johannes Endl.
Stagnierende Kaufpreise und rückläufige Neubautätigkeit orten auch die Experten von Otto Immobilien. „Die Preisstagnation in fast allen Segmenten ist ein klares Indiz dafür, dass der Markt eine Phase der Unsicherheit durchlebt. Es zeigt sich eine Stabilisierung auf einem niedrigeren Preisniveau, vor allem bei Bestandswohnungen. Für Wohnungssuchende kann das also ein guter Moment für einen Kauf sein“, sagt Sonja Kaspar, Wohnexpertin bei Otto Immobilien.
Die Preise für Neubauwohnungen haben sich im ersten Halbjahr nur minimal verändert. Bei Bestandswohnungen hingegen ist – erst zum zweiten Mal seit der Finanzkrise 2008 – der Quadratmeterpreis im ersten Halbjahr 2024 um 1,7 Prozent auf durchschnittlich 4.457 Euro gesunken.
Remax Österreich verzeichnet 47.823 Verbücherungen im ersten Halbjahr, damit liegt der Immobilienmarkt auf dem Niveau der Jahre 2014/2015. „Das überraschend schnell angestiegene Kreditzinsniveau, die Inflation, die allgemein ungewöhnlich krisenhafte Weltlage und die dadurch ausgelösten Ängste und nicht zuletzt die Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien hatten spürbare Auswirkungen auf den Immobilienmarkt,“ so Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer Remax Austria. Er ortet erste Zeichen der Stabilisierung. „Die temporäre Gebührenbefreiung beider Grundbucheintragungen, die sich viele Käufer bei ihrer ersten Wohnimmobilie sparen können, ist sicher ein positives Zeichen.“