Ökologisch Residieren

„Raus aus Gas“ ist für die IMMOBILIENBRANCHE erst der Anfang. Aktuelle Leuchtturmprojekte mit einem klaren ESG-Fokus zeigen mit PV-Anlagen, begrünten Fassaden und sozialen Angeboten, was alles möglich ist.

Fischgrätparkett, Flügeltüren und Stuck an den Decken: Das Eckzinshaus in der Kettenbrückengasse am Wiener Naschmarkt, das vom Immobilienentwickler Winegg gerade umfassend revitalisiert wird, ist ein Musterbeispiel des Wohnens von einst. Doch hinter den historischen Fassaden entsteht ökologisches Wohnen aus dem 21. Jahrhundert mit Wärmepumpenheizung und einer PV-Anlage am Dach, was auch die Zertifizierung nach dem strengen Green-Building-Standard DGNB Gold bestätigt. „Der Wiener Altbau hat eine lange Tradition und besitzt einen besonderen Charme“, sagt Christian Winkler, Gründer und Geschäftsführer von Winegg Realitäten. „Unser oberstes Ziel ist es, dieses einmalige Flair zu bewahren und die Objekte in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.“ Mit der ESG-konformen Revitalisierung werden bestehende Strukturen nachhaltig wiederbelebt, um sie zukunftsfit zu machen, so der Winegg-Chef: So leisten ökologisch aufgewertete Altbauten einen Beitrag zur nachhaltigen Stadtverdichtung.

ESG-KRITERIEN IM FOKUS. Dieses Projekt ist keine Ausnahme. Seit rund einem Jahr erhalten sämtliche Wohnprojekte von Winegg eine unabhängige Zertifizierung, um den Anforderungen der EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten gerecht zu werden – diese Richtlinie umfasst besonders strenge ESG-Kriterien. PV-Anlagen, Fassadenbegrünungen und Gemeinschaftsgärten sind dabei kein „Werbeschmäh“, sondern eine bewusste Vorbereitung auf die neuen EU-Nachhaltigkeitsvorgaben auf dem Immobilienmarkt, wie Marius Richter, Real Estate Leader bei PwC Österreich, mit Verweis auf eine europaweite PwC-Studie berichtet: Acht von zehn professionellen Immobilienmanagern sehen heuer nicht Zinsen oder Inflation, sondern ESG-Aspekte als den Faktor mit der stärksten Auswirkung auf die Immobilienpreise.

Die PwC-Studie zeichnet ein klares Bild: Große institutionelle Investoren kaufen gar keine Objekte mehr, welche die höchsten Nachhaltigkeitsstandards nicht einhalten. „Wir befinden uns an einem Punkt im Marktzyklus, der sehr gute Einstiegschancen für antizyklische Investoren bietet“, so Richter, „aber nur für diejenigen, die gleichzeitig die ESG-Transformation mitdenken.“ Daher setzen inzwischen alle führenden Altbauspezialisten auf die EU-Taxonomie. So hat Winegg auch in den Bezirken außerhalb des Gürtels ökologische Sanierungs- und Neubauprojekte. Aber auch andere führende Zinshaussanierer wie 3SI Immogroup oder JP Immobilien achten auf Ökozertifizierung, umweltfreundliche Energieversorgung und die Errichtung von Gemeinschaftsflächen.

NACHHALTIGE NEUBAUTEN. Bei aktuellen Stadtteilentwicklungen wie beim „Village im Dritten“ unter Federführung der ARE Austrian Real Estate in Wien-Landstraße liegt der Fokus ebenfalls auf der perfekten Erfüllung von ESG-Kriterien, anstatt wie früher die höchste Verdichtung und Renditemaximierung zu forcieren. Daher gibt es dort statt Einheitsbauten Leuchtturmprojekte in Sachen Nachhaltigkeit wie das teilweise aus Holz errichtete Hochhaus „Bella Vista“, das mit begrünten Fassaden aufwartet – zusätzlich erhält jeder Bewohner eine Baumpatenschaft für einen Baum auf seinem Balkon. Und der Bereich „Soziales“ bei ESG wird durch innovative Angebote für ein besseres Miteinander abgedeckt, wie etwa einen Verein, der Ein-Eltern-Familien tatkräftig unterstützt.

Bei der Entwicklung ganzer Stadtteile einen ESG-Schwerpunkt zu setzen, bietet vielfältige Vorteile für Immobilienentwickler: Während sie bei Sanierungen und dem Verbau von Baulücken viele durch den Altbestand vorgegebene Faktoren berücksichtigen müssen, können sie bei Großprojekten alle Register in Sachen Umwelt und Soziales ziehen – mit dem Vorteil, dass sich die Kosten nicht auf bloß 20 oder 30, sondern auf mehrere Hundert Wohnungen aufteilen. Das mach die Entwicklung grüner Quartiere auch in Verbindung mit leistbarem Wohnen möglich.

Ein Vorreiter in diesem Bereich ist die Süba, die als erster Immobilienentwickler in Österreich als EU-Taxonomie-konform ausgezeichnet wurde. „Wir bauen Immobilien der Zukunft“, sagt Süba-Alleineigentümer Klemens Hallmann. „Mit unserem Verzicht auf fossile Energieträger sowie einer CO2-optimierten, energieeffizienten Bauweise ermöglichen wir den Bewohnern auch eine deutliche Ersparnis bei ihren laufenden Energiekosten.“

Ein aktuelles Beispiel für die Süba-Nachhaltigkeitsstrategie ist das „Kolo-man“ in Stockerau, wo rund 200 Wohnungen und ein Park mit Spielplatz errichtet werden. Ökologisch sind hier nicht nur Bauweise und Heizung, sondern bereits die Baustelle: Erstmals in Europa testete Süba dort die autonome Stromversorgung über Mikrowindturbinen.

GRÜN STATT VERSIEGELT. Um die Bodenversiegelung zu reduzieren, setzen zudem die meisten Quartiersentwickler auf die Errichtung großer Grünflächen.

Wenn aus Platzgründen kein Park errichtet werden kann, kommen dabei Flachdächer und Fassaden zum Einsatz. So baut die Wohnkompanie in Wien-Liesing mit dem „Subin23“ eine Anlage mit Klein- und Großwohnungen sowie Reihenhäusern mit Heizung mittels Luftwärmepumpe. Das Straßenbild wird durch Fassadenbegrünung aufgewertet, die Flachdächer begrünt und mit PV-Modulen versehen. Die gepflasterten Wege sind nicht nur ein schönes Gestaltungselement, sie ermöglichen auch eine hohe Regenwasserversickerung. Der Entwickler strebt bei „Subin23“ gleich drei Ökozertifizierungen an: klimaaktiv, ÖGNI Gold und bauXund.

Nicht minder innovativ ist der „vertikale Garden“ auf der Fassade des Projekts „Im Bambushain“ von Immocontract, Estina, S+B Immobilien und der C&P Immobilien AG in Wien-Favoriten. In diesem nach dem klimaaktiv-Standard zertifizierten Großprojekt mit Mietwohnungen erfolgen Heizung und Kühlung zudem durch eine innovative Lösung auf der Basis von thermischer Betonkernaktivierung. Und die Jalousien werden zur Regulierung des Energiehaushalts elektronisch gesteuert.

OHNE „ÖKO-AUFSCHLAG“. Dass solch aufwendige ESG-konforme Projekte inzwischen auch in Lagen entstehen, wo keine Rekordpreise gezahlt werden und keine hohen Mieten möglich sind, hat auch einen anderen Grund: Im neuen Finanzierungsumfeld für Immobilienentwickler sind grüne Finanzierungen um ein Vielfaches leichter und günstiger erhältlich als herkömmliche Bankkredite. Deswegen können die Entwickler die höheren Gestehungskosten durch die EU-Taxonomie verkraften, ohne die Quadratmeterpreise oder Mieten für die Endnutzer nach oben schrauben zu müssen.

So bietet die 3SI Immogroup im Projekt „The Liberty“ mit Preisen ab 266.000 Euro Wiens derzeit günstigste Ökowohnungen mit einer Zertifizierung nach DGNB Gold an. „‚The Liberty‘ kombiniert ruhiges Leben und Citynähe auf einmalige Weise, die Kaufnachfrage ist hoch“, sagt Gerhard Klein, Geschäftsführer 3SI Makler, der den Vertrieb leitet. Wie bei den Projekten des Unternehmens in teuren Citylagen sind auch bei „The Liberty“ in Wien-Donaustadt Luftwärmepumpe, PV-Anlagen, E-Auto-Ladestationen, Urban-Gardening-Flächen und Fahrradabstellräume Teile des Konzepts.

Noch günstiger lässt sich im Tullner-feld ökologisch residieren: NID (NOE Immobilien Development) errichtet mit der „Schlosswiese“ in Judenau mit Preisen ab 250.000 Euro ein ökologisches Wohnprojekt, das mit Kinderspielplätzen, gemeinschaftlichen Freiräumen und einem innovativen Grünraumgestaltungskonzept punktet. Um den Verkehr ESG-konform zu gestalten, werden den Bewohnern über Carsharing anmietbare E-Autos geboten.

BESSERE WERTENTWICKLUNG. Neben den Mietern profitieren auch die Käufer, wenn sie sich statt einer energetisch veralteten Immobilie für eine zukunftsfitte entscheiden. Denn hier lockt eine bessere Wertentwicklung: Nach den institutionellen Immobilieninvestoren werden wohl schrittweise auch die privaten Anleger auf nachhaltige Objekte umschwenken. „ESG und EU-Taxonomie sind in aller Munde, und selbst Investoren, die früher gar nicht auf Nachhaltigkeit geachtet haben, machen aktuell eine 180-Grad-Wende“, sagt Herbert Petz, Immobilienökonom und Leiter der Abteilung Investment des Immobiliendienstleisters Örag, der besonders viele Privatanleger vom einzelnen Wohnungskäufer bis zur Privatstiftung berät. „Selbst die Käufer von klassischen Zinshäusern fragen inzwischen, ob das Haus sich entsprechend revitalisieren lässt beziehungsweise vom Eigentümer schon nachhaltig saniert wurde.“ Und eine nachhaltige Immobilie ist nicht nur bei einer Vermietung oder einem Weiterverkauf langfristig das bessere Geschäft, sondern auch in der Bewirtschaftung, worauf Petz hinweist. So wird die Ökologie vom Soft Fact zum Hard Fact und vom „Nice to have“- zum „Must have“-Kriterium – spätestens dann, wenn die nächste Betriebskostenabrechnung ansteht.

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Tanja Kristament